Ein bäuerlicher Schwank
Es war einmal, vor langer, langer Zeit, da lebte ein Bauer, der hatte ein Weib, das war – wenn man höflich ist – etwas einfältig. Was ja nichts Schlechtes ist, denn wer will schon viele Falten haben? Man könnte auch sagen, sie war nicht die Klügste, aber sie hatte ein ungemein gutes Herz.
Als im Winter mal Markttag war, da musste der Bauer einem Nachbarn im Wald helfen beim Holz machen, also sagte er zu seinem Weib:
”Heut musst du auf den Markt gehen. Hier sind zwei Kübel mit Schmalz, die nimmst mit und schaust, dass du sie gut verkaufst.“
Obwohl noch nicht mal Weihnachten war, war es ein sehr kalter Winter, voller Eis und Schnee. Also zog sich die Bäuerin ihren dicken Mantel an, und die festen Handschuhe, und sie band sich ihr Tücherl um den Kopf, dann nahm sie links und rechts je einen Kübel und ging los.
Der Weg war schlecht, es hatte schon so viel Frost gegeben, dass die Straße ganz aufgerissen und voller Löcher war. Und wie die Bäurin da so ging und vor sich hinschaute, da bekam sie Mitleid mit der Straße. Sie blieb stehen und sagte:
”Mei, du arme Straßen du. Voller Risse und Wunden, du schaust ja aus wie meine Händ im Winter, wenn ich im Bach Wäsch gwaschen hab. Was muss dir das weh tun!“
Und weil sie für ihre Händ ein gutes Mittel hatte, und weil sie sich dachte, dass könnt der Straße wohl auch gut tun, wenns ihren Händen gut tat, und weil sie das Mittel grad bei sich hatte, so kniete sie sich hin und begann, das Schmalz aus den Kübeln in die Risse reinzuschmieren. Das war schwere Arbeit, bei der Kälte! Und wie die Kübeln leer waren, da hat sie sich dacht, mit leere Kübel brauchts auch nicht zum Markt gehen und ist wieder heim.
Wie am Abend der Bauer aus dem Wald gekommen ist, da hat er sie gefragt, ob sie am Markt war und das Schmalz gut verkauft hat. Da hat ihm die Bäurin von der armen Straße erzählt, und wie sie deren Wunden gesalbt hatte. Na, ihr könnts euch vorstellen, der Bauer hat sich nicht gerade gefreut darüber.
”Du blödes Weib du! Mit dir hab ich echt ein Gfrett! Wie kann man nur so blöd sein!“
Naja, er war aber müd und sie hat ihm ein gutes Supperl gekocht gehabt, also hat ers gut sein lassen.
Die Woche drauf, als wieder Markttag war, da hat schon wieder nicht der Bauer gehen können, weil grad eine Kuh gekalbt hat. Also hat er zu seiner Frau gesagt: ”Musst heut schon wieder du gehen. Da, nimm den Ballen Leinwand, den du gewebt hast, und bring den am Markt. Aber schau ja, dassd an guten Preis kriegst!“
Und weils heute nicht nur kalt, sondern auch furchtbar windig war, da hat sich die Bäurin wieder warm angezogen und auch noch einen Schal genommen.
Und wie sie so zum Markt geht, da kommt sie durch ein Wäldchen. Also, das war wirklich nur ein Wäldchen, kein so ein Wald, wie es früher normal war, voller riesiger Bäume und Tiere, vor denen man sich fürchten muss. Nein, in dem Wald da hatte es ein paar Jahre davor gebrannt, und nun wuchsen da nur so junge Bäumchen, Birken, Buchen, sogar ein paar Eichen, aber alle kaum höher als der Bäuerin ihr Häuschen und dünn und natürlich kahl, es war ja Dezember. Da hat der Wind nur so durchgepfiffen, dass die Bäuerin den Schal bis über die Nase gezogen hat. Da hat die Bäuerin Mitleid gekriegt und sie hat sich gedacht:
”Ihr armen Bäumchen! Ist mir schon so kalt, und ich trag warmes Gewand, wie kalt muss es euch erst sein, ohne euer Laub!“
Und sie hat ihren Schal genommen, und hat ihn um das dünnste der Bäumchen gewickelt.
”Dassd zumindest eine warme Stelle hast.“
Aber die anderen Bäume, die taten ihr halt auch leid, also hat sie den Ballen Leinwand in Streifen gerissen und um jeden Baum einen Streifen Stoff gewickelt, dass er zumindest einen Schal hat.
Und dann ist sie heim, weil zum Verkaufen hat sie ja nichts mehr gehabt.
Na, ihr könnts euch vorstellen, was der Bauer gesagt hat. Geschimpft und geflucht hat er, das will ich da gar nicht wiederholen. Aber weil er im Grunde seines Herzens ja gutmütig war und weil den Stoff die Bäurin schließlich selbst gemacht hatte, da hat ers dann irgendwann sein lassen.
Bald darauf stand der Bauer mit der Bäuerin in der Stube, und er gab ihr einen irdenen Topf.
”Da Weib, stell das zu deinen Töpfen in der Küche, da fallts keinen auf. Da sind 300 Gulden drin, das ist unser Erspartes von dem Jahr. Zwischen deinen Töpfen ist es sicher aufgehoben vor Dieben und dann haben wir was, wenn die Not kommt. Ich muss jetzt weg, der Bürgermeister hat mich eingeladen auf ein Glaserl Glühwein.“
Und so ist der Bauer in den Ort gegangen.
Er war noch nicht lange weg, da kam ein Bettler an das Haus. Vor Weihnachten kamen gerne Bettler, die hofften, dass die Leute im Angesicht des heiligen Festes großzügig und mitleidvoll waren.
Wie die Bäuerin dem Bettler die Tür öffnet, da hat sie gleich Mitleid gehabt, weil der sah gar armselig aus. Keine Schuhe hat er ghabt, obwohl hoher Schnee lag, nur ein dünnes Jackerl und keine Mütze.
”Frau, habt Mitleid mit mir, ich bin ein armer Mann, mein Leben ist ein Elend, ich bin echt gar die Not.“
Na, da war die Bäuerin aber froh, dass der Mann die Not war, denn für die Not hatten sie ja grad einen Topf Gulden hingestellt! Also ging sie in die Küche, holte den Topf und gab ihn dem Bettler. Der konnte sein Glück kaum fassen, küsste ihr die Füße und dann sah er zu, dass er wegkam, ehe sie es sich anders überlegte.
Und der Bauer, der konnte es auch kaum fassen, als er heimkam und ihm seine Frau sagte, die Not wäre schon da gewesen! Ihr ganzes Erspartes!
”Du blödes Weib du!“ Er nahm den Schürhaken und ging auf sie los. ”Nun ists aber gnug, ich schlag dich tot!“ Man muss bedenken, er hatte ein bisserl mehr als einen Glühwein gehabt.
Wie er aber den Schürhaken hochhob, um auszuholen, da sagte sein Weib nur:
”Is eppa gut, wennst meinst. Bin den Weib, kannst mit mir tun was magst.“
Da hielt er inne in der Bewegung und nüchtern war er auch gleich. Nein, Mörder wollt er keiner sein, schon gar nicht so kurz vor Weihnachten.
”Na gut, ich schau, ob ich dem Kerl nachkomm. Find ich ihn und krieg unser Geld wieder, solls gut sein. Find ich ihn nicht und find ich keinen größeren Deppen als dich, dann schlag ich dich tot.“
Und so ging er los, den Bettler zu suchen.
Und wie er so ging, da kam er bis in die Stadt. Oh, das war eine Pracht! So hohe Häuser, diese bunten Fassaden, die Verzierungen! Dem Bauern blieb glatt der Mund offen vor so viel Reichtum und Pracht. Er konnte nicht anders, als immer nach oben sehen, zu den hohen Dächern, den prächtigen Fronten. Wie er da so ging und hinauf schaute, da schaute aus einem der noblen Häuser eine Frau vom Fenster hinunter aus dem 2. Stock.
”He, du da“, rief sie, ”was schaust denn immer in den Himmel hinauf?“
Der Bauer blieb stehen und sah zu der Frau.
”Soll ich denn nicht hinauf schauen? Ich bin grad vom Himmel herunter gefallen, und nun schau ich, wo die Treppe rauf wieder ist.“
”Na, der lügt mich an“, dachte sich die Frau, ”kein Mensch kann vom Himmel runterfallen. Oder?“ Laut sagte sie: ”Geh, du lügst mich an. Sag ehrlich, bist du wirklich vom Himmel runtergefallen?“
”Ja sicher! Hab mir auch ein bisserl den Fuß verknackst dabei.“
”Ja, wenn du vom Himmel bist, hast du denn da oben vielleicht meinen Mann gesehen?“
Der Bauer war nicht dumm, der hat schnell einen Blick auf das Klingelschild geworfen und dann hat er gesagt: ”Ihren Mann, den Dr. Birnstingel? Sicher hab ich den gesehen.“
”Was, wirklich? Ach, wie geht es ihm denn?“
”Schlecht. Ganz schlecht. Der hat große Schulden gemacht, und nun muss er Tag und Nacht arbeiten. Nicht mal morgen, zum Christfest, wird er in die Kirche zur Messe gehen könne, weil er muss mit bloßen Händen das Eis zu Schnee zerstoßen, damit es weiße Weihnachten gibt, und dann mit den nackten Füßen Löcher in die Wolkendecke bohren, dass die Schneeflocken herabrieseln können. Jaja, dem geht es wirklich schlecht.“
Da stiegen der Frau Birnstingel die Tränen in die Augen. ”Wart einen Moment, meinst du, du findest den Weg in den Himmel zurück?“
”Ja, sicher, da vorn seh ich eh schon eine Himmelsleiter, da bin ich heut Abend wieder oben.“
”Dann komm kurz rauf!“
Und der Bauer stieg die Stiegen hoch in den zweiten Stock und er konnte sich kaum sattsehen an der Pracht im Stiegenhaus, all der Stuck und marmorne Treppen.
Die Frau Birnstingel öffnete ihre Wohnungstüre und reichte ihm einen Beutel.
”Bitte, nimm das mit für meinen Mann. Da sind 1000 Gulden drin, ich hoffe, er kann damit seine Schulden bezahlen.“
”Oh ja gewiss, da wird er sich freuen, wenn er morgen zur Weihnachtsmesse gehen kann. Gewiss zündet er ein Kerzerl an für Sie, gute Frau.“ Da war die Frau Birnstingel selig.
Daheim sprach der Bauer zu seiner Frau:
”Jetzt hab ich doch glatt wen gfunden, der noch blöder ist als du. Nun grab ichs aber ein das Geld, und du koch mir a Suppen und lass uns Weihnachten feiern.“
Und die Moral von der Geschicht? Es kann ruhig einer blöd sein in einer Ehe, wenn nur der andere gut lügen kann!
(MW)
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