Autor*innen haben das höchste Selbstmordrisiko

Die Morrigan

 

Vor kurzem habe ich eine Statistik gelesen (leider weiß ich mal wieder nicht genau, wo, weil ich mir solche Dinge selten merke. Falls wer von euch diese Statistik auch gelesen hat, freue ich mich über Quellenangabe), der zufolge Autor*innen unter allen Künstlersparten die höchste Selbstmordrate haben.

Nun ist Selbstmord ohnehin ein großes Thema -- ich kenne mehr Menschen, die Selbstmord begangen haben, als Todesopfer von Autounfällen -- aber es ist fast schon beunruhigend, zu einer Berufsgruppe zu gehören, die hier besonders gefährdet ist.

Das hat mir natürlich zu denken gegeben und ich habe versucht, die Gründe zu entschlüsseln. Was natürlich -- wie es bei Statistiken und Pauschalierungen so ist -- nicht für jeden einzelnen Fall stimmig sein wird und bestimmt nicht der einzige Grund, warum jemand sich umbringt, doch ich habe eine Theorie und würde mich sehr freuen, eure Meinung dazu zu hören.

 

Was ich einmal NICHT glaube, ist, dass wir Autor*innen einfach sensibler sind und/oder uns mit deprimierenderen Themen auseinandersetzen. Gewiss, viele von uns schreiben Thriller und Krimis und lassen ihre Protagonisten unmenschliches Leid erfahren, aber auch Musiker spielen Trauermusik, Sänger und Schauspieler singen/spielen tragische Opern/Stücke, Bildhauer und Maler erschaffen Bilder zum Thema Krieg und Tänzer tanzen Geschichten von Leid.

 

Ich glaube auch nicht, dass unser Beruf von größeren Unsicherheiten finanzieller Natur betroffen ist -- ich kenne haufenweise andere Künstler, die sich kaum über Wasser halten können mit ihrer Kunst.

 

Nein, ich glaube, dass der Grund viel banaler ist.

Haltung.

Der Tänzer arbeitet mit seinem ganzen Körper, bewegt jeden Muskel, dehnt sich, übt seine Kraft. Der Bildhauer braucht Muskeln, arbeitet ebenfalls mit seinem ganzen Körper. Der Sänger perfektioniert seinen Atem, jeder gesungene Ton schwingt durch den ganzen Körper. Auch der Musiker arbeitet mit seinem Atem, hat eine aufrechte Haltung. Selbst der Maler, so er nicht Miniaturen anfertigt, steht oft an seiner Staffelei, macht ausschweifende Armbewegungen.

Und wir Autor*innen? Sitzen oft schief und zusammengekrümmt über unserer Tastatur, die Schultern hochgezogen, der Atem flach (weil wir auf ihn vergessen, vor lauter Eintauchen in die Szenen), der Hals geknickt, der Unterleib überhaupt "unnötig".

 

Zwei Auswirkungen hat das:

zum einen werden durch die mangelnde Bewegung und flachere Atmung unsere Organe und Muskeln nicht gut durchblutet, was sich auf den gesamten Stoffwechsel und damit auch auf den des Gehirns auswirkt.

Zum anderen ist dies die Haltung eines depressiven Menschens. Vorgefallene Schultern, Rundrücken, gesenkter Kopf. Irgendwann, wenn wir Vollzeitautor*innen sind, sind unsere Muskeln so verkürzt, dass wir gar nicht mehr aufrecht und stark dastehen können.

Und unser Inneres, unser Geist, unsere Seele -- wie immer ihr es nennen wollt -- schließt von unserer Haltung auf unseren psychischen Zustand. Es ist schwer, Freude zu empfinden, wenn der Körper sie nicht ausdrücken kann. Es ist schwer, sich in seinem Körper wohlzufühlen, wenn er steif und verkürzt ist und überall zwickt und zwackt (verspannte Schultern, Kopfschmerzen, Sehnenscheidenentzündung ...)

 

Die Frage ist nun natürlich, was man dagegen tun kann, überhaupt in diese Abwärtsentwicklung zu kommen. Schließlich wollen wir alle nicht nur uns nicht umbringen, sondern lange und zufrieden (und gesund) als Autor*innen leben.

Manche sind aufs Diktieren umgestiegen. Eine Lösung, die ich mehrfach versucht habe, weil es mein Traum wäre, meine Bücher zu schreiben, während ich spazierengehe. Aber für mich funktioniert diese Lösung leider nicht -- ich brauche die Möglichkeit, meinen Blick über die zuletzt geschriebenen Absätze schweifen zu lassen.

Stehtische. Kann ich auf alle Fälle empfehlen. Meiner ist höhenverstellbar. Zumindest manche meiner Arbeiten verrichte ich nun aufrecht stehend. Wobei ein Stehtisch alleine noch keine Garantie ist, dass man nicht rundbucklig dasteht und aufs Atmen vergisst, aber immerhin funktioniert die Durchblutung zwischen Ober- und Unterleib besser. Manchmal verwende ich auch ein Wackelbrett in Kombination, aber das schaffe ich nur beim Emails-Durcharbeiten, beim Schreiben finde ich das Gewackel zu ablenkend.

Bewusste Haltung. Schön wäre es. Ich bewundere jede/n, der das durchhält, stundenlang aufrecht zu sitzen. Ist aber immer auch noch keine "Bewegung", die Durchblutung und Atmung fördert.

Bewegungspausen. Das erfordert Disziplin oder einen Wecker, man vergisst leicht darauf (oder will dann nicht Pause machen, weil man gerade so im Flow der Szene ist). Und sie dürfen nicht zu kurz sein und müssen die "richtige" Bewegung enthalten -- sprich: Übungen, die den Brustkorb öffnen, die Schultern nach hinten bringen, den Nacken entspannen, die Beine in Bewegung bringen.

Ich habe auch schon einen "schwerelos" Stuhl gesehen - sieht aus wie ein Liegestuhl, in dem man in den richtigen Winkeln zwischen den großen Gelenken liegt, sodass gar keine Muskelanspannung (und damit mögliche Verspannung) nötig ist (außer in den Fingergelenken beim Schreiben) -- vielleicht bequem, aber wohl kontraproduktiv, wenn wir Durchblutung und aufrechte (Lebens-)Haltung aufbauen wollen.

 

Joanna Penn hat ein Buch über das Thema geschrieben (also, nicht über Selbstmord unter Autoren, aber über Gesundheit als Autor) "The healthy writer". Ihre Tipps decken sich in etwa mit dem obigen.

Wer weiß, vielleicht erfindet ja noch jemand eine Tastatur, die uns zu mehr Bewegung zwingt. Die uns automatisch an tiefe Atmung erinnert oder sonst wie dazu breiträgt, dass Schreiben ein auch körperlich gesunder Job wird.

 

Was fällt euch noch ein, um mehr Bewegung, Atem und Haltung in unseren wunderbaren Job zu bringen? Was macht ihr, um euch fit zu halten neben dem Schreiben -- mental, seelisch und körperlich?

 

 


Von den Göttern gesegnet, von ihrem Meister verflucht, war die Bardin Arduinna gezwungen, alles für ihre Liebe zu opfern.

Eine keltische historische Romanserie, die dich in Zeiten versetzt, als Wörter Waffen sein konnten und deine einzigen Freunde ein Wolfshund und ein Rabe.

Tauch ein in die Welt der Kelten und fühle den Pulsschlag jener Zeit in dir!

 

Die Wortflechterin der Kelten, historische Romanserie
Die Wortflechterin der Kelten, historische Romanserie

Randbemerkung: Ich bin Autorin, keine Historikerin, Archäologin oder Zeitreisende (das wäre spannend ...), ich gebe in meinem Blog einerseits nur meine Meinung weiter und andererseits Wissensbissen, die ich im Zuge meiner Recherchen für meine Keltenromane aus den verschiedensten Quellen zusammengetragen habe. Da ich jemand bin, der sich zwar Informationen und Geschichten merkt, aber nicht wissenschaftlich arbeitet, verzeiht bitte, dass ich (meist) keine Quellenangaben mache, schon gar nicht zu Wissensbissen, die man in vielen Quellen findet.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Angela (Sonntag, 21 Juli 2024 13:55)

    Guter Artikel! Das Joanna Penn Buch habe ich auch mal gelesen und kann es ebenfalls empfehlen.
    Meim Set-up ansonsten: Ich habe tatsächlich einen Vibrationswecker am Handgelenk, der mich ans regelmäßige Aufstehen und Dehnen erinnert. Dazu einen Hund mit Sextanerblase, mit dem ich alle paar Stunden raus und um den Block muss. Und dann klingelt auch noch x-mal der Postmann, der mich drei Stockwerke runter und rauflaufen lässt, denn ich arbeite unterm Dach. Alles in allem ganz okay mit der Bewegung - ich würde aber auch sehr gern diktieren können, da ich beim Spaziergang definitiv besser denken kann. Habe ich mehrfach versucht, bin aber noch nicht soo erfolgreich damit gewesen… :-)