· 

Der Kübel der Erleuchtung

Es sind meist nicht die großen Dinge, die uns zu Aha-Erlebnissen führen. Durch meine Romane beschäftige ich mich doch schon länger mit der Kultur der Kelten und ich zähle zu denen, die sich sehr dafür einsetzen, dass sie eine Hochkultur waren. All diese kunstvoll gearbeiteten Schmuckstücke, die aufwändig verzierten Waffen, die Logistik, alle Stämme gegen Caesar zu vereinen … Und doch geschieht es selbst mir, dass ich in den geistigen Bildern hängenbleibe, die man eigentlich eher mit den Wikingern verbindet. Raubeine, saufende Krieger, zottelige Bärte … (dabei gab es Funde von Rasierzeug).

Der Barde von Saint Paule

Dann stolpert man über einen Post auf Social Media über eine Austellung in der Bretagne. Nicht nur wird dort eine ganz besondere Statuette ausgestellt: der Barde von Paule.

Ist er nicht entzückend? Seine Leier ist übrigens das Vorbild für jene, die Arduinna in Band vier erhalten wird (oops, Spoiler).

Inzwischen konnte nachgewiesen werden, dass ihm die Nase absichtlich abgeschlagen wurde, wahrscheinlich ein Akt der Entweihung, als die Römer Gallien eroberten, zählten die Barden doch ebenso wie die Druiden zur gefährlichen Intellektuellenschicht, die vernichtet werden musste (manche Dinge ändern sich nie).

Aber es ist nicht die Statuette des Barden, der meine Erleuchtung war. Nein, es ist ein Kübel, ein Eimer.

Ein ganz gewöhnlicher Alltagsgegenstand, wie man ihn zum Wasser holen benützt, für das Schweinefutter oder vielleicht als nächtliche Toilette. Zugegeben, nicht das billige 5kg-Orangen-Supermarkt Modell, mehr die stabile Baustellen-Ausführung. Aber nichtsdestotrotz: ein Kübel. Kein Prunkgeschirr, keine Waffe, kein Status-Symbol. Und dennoch zieren diesen Kübel Ornamente. Nicht rasch aufgemalt, um Verwechslungen auszuschließen („Achtung, Nachttopf, nicht Futterkübel!“), sondern kunstvoll, ausgestanzt wirkende Metallverzierungen.

Und genau diese Kleinigkeiten sind es, die wohl in aller Klarheit sagen: Wir waren eine reiche Kultur, und eine kunstverliebte Kultur. Wir konnten es uns leisten, selbst Alltagsgegenstände mit aufwändigen Metallarbeiten zu verschönern, wo es ein paar Pinselstriche ebenso getan hätten. Wir hatten die Handwerker, die nicht nur das Können, sondern auch die Zeit für solche „Spielereien“ hatten, weil wir alle genug zu essen hatten, weil sie sich nicht neben ihrer Arbeit auch noch um Ernte und Tierfütterung kümmern mussten.

Es erinnert mich an den Ausspruch einer Wissenschaftlerin, deren Namen ich vergessen habe. Sie wurde gefragt, was denn ihrer Meinung nach das erste Anzeichen von „Menschsein“, von „Kultur“ gewesen war. Man erwartete als Antwort so etwas wie „das Rad“, „die erste Axt“. Doch sie sagte: „Ein verheilter Beinbruch.“ Denn nur wenn ein Mensch in eine Gemeinschaft eingebettet war, die für ihn sorgte, die ihn beschützte und sich wochenlang um ihn kümmerte, konnte ein Knochenbruch heilen, ohne dass der Mensch verhungerte oder von wilden Tieren angefallen wurde.

Und der Kübel von Paule gibt mir auch den Mut zu denken, dass ich manchmal vielleicht gar nicht so falsch liege, wenn ich so manches „Kultobjekt“ hinterfrage. Denn rasch ist alles ein „Kultobjekt“, für das man nicht sogleich eine Bedeutung weiß. Und ich denke mir immer wieder: Wer weiß, vielleicht war das einfach nur Schnokes? Die Nippesfiguren der Eisenzeit?

Kultobjekt, Naturhistorisches Museum Wien
Ich entschuldige mich für die schlechte Bildqualität

 

So wie diese „Kultobjekt“ aus dem Naturhistorischen Museum in Wien. Ich kann mir nicht helfen, aber für mich sieht es nach der Nachzieh-Ente eines reichen Kindes aus …

 

Votivfiguren im Archäo Norico, Deutschlandsberg
Votivfiguren im Archäo Norico, Deutschlandsberg

 

 

Oder diese „Votivfiguren“. Vielleicht waren sie das Playmobil der Eisenzeit … Vielleicht ist das aber auch Blasphemie und ich werde dafür von allen Archäologen gesteinigt ...

 

 

Dennoch muss ich in diesem Zusammenhang auch an einen anderen Bericht denken. Forscher hatten (ich glaube, irgendwo in Südamerika) messerscharfe Obsidianklingen im Dachgebälk von Häusern gefunden. Ganz logisch, sagten sie. Man bewahrte sie auf den Dachbalken auf, damit sie den Göttern näher waren. Ganz logisch, sagte eine Frau. Man bewahrte sie auf den Dachbalken auf, damit die kleinen Kinder nicht rankamen.

Es ist immer faszinierend, wie wenig wir wirklich wissen, wie sehr wir von unseren heutigen Ansichten über das „Früher“ geprägt sind und sie leicht eine Kleinigkeit da wieder vieles an Ansichten verändert ...

 

 

 

Randbemerkung: Ich bin Autorin, keine Historikerin, Archäologin oder Zeitreisende (das wäre spannend ...), ich gebe in meinem Blog einerseits nur meine Meinung weiter und andererseits Wissensbissen, die ich im Zuge meiner Recherchen für meine Keltenromane aus den verschiedensten Quellen zusammengetragen habe. Da ich jemand bin, der sich zwar Informationen und Geschichten merkt, aber nicht wissenschaftlich arbeitet, verzeiht bitte, dass ich (meist) keine Quellenangaben mache, schon gar nicht zu Wissensbissen, die man in vielen Quellen findet.

 

Lust, einmal im Monat eine Geschichte der Bücherbardin zu erhalten und über neue Blogbeiträge informiert zu werden? Dann melde dich für meinen Rundbrief Post von der Bücherbardin an!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0